“Nur mit den richtigen Partnern können wir erfolgreich sein.”
Im Interview mit SAB spricht der als naturverbunden und bodenständig geltende REMONDIS Geschäftsführer der Recycling-Sparte Christoph Bildstein über Nachhaltigkeit, die Herausforderungen des Green Deals und der Bedeutung verlässlicher Partner.
Zur Person
Christoph Bildstein (58), geboren in Kempen/Niederrhein. Diplom als Agraringenieur an der Universität Bonn. Seit 22 Jahren (1999) bei der Rethmann-Gruppe – seit 2003 Mitglied der Geschäftsleitung bei Rhenus Recycling bzw. Geschäftsführer der REMONDIS Recycling GmbH & Co. KG.
Zum Unternehmen
REMONDIS ist einer der weltweit größten Dienstleister für Recycling, Service und Wasser. An rund 900 Standorten auf 4 Kontinenten arbeiten über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mehr als 30 Millionen Bürger und viele tausend Unternehmen. Auf höchstem Niveau. Im Auftrag der Zukunft.
Zum Verantwortungsbereich
Christoph Bildstein ist verantwortlich für das Geschäftsfeld Glasrecycling mit 13 Standorten in Deutschland, Belgien und Polen sowie den Betrieb der fünf Zählzentren. In den Anlagen werden jährlich rund 1,6 Mio. Tonnen Glas aufbereitet und ca. 500 Mio. Einwegpfand-Gebinde gezählt.
Zum SAB Leistungsumfang
SAB darf sich seit vielen Jahren als etablierter Lieferant und Partner von REMONDIS bezeichnen. Drehrohrtrockner für das Trocknen von Glas, verschiedenste Sondermaschinen, Schneckenverdichter oder das Auftreten als Generalunternehmer für die Ausstattung neuer Gebinde-Zählzentren zählen zum Lieferumfang von SAB.
Herr Bildstein, Ihr Unternehmen mit Ihnen als Mitglied der Geschäftsführung schreibt jährlich neue Erfolgsgeschichten, mit welchen Erwartungen blicken Sie den nächsten Jahren entgegen?
Christoph Bildstein: Im Geschäftsfeld Glasrecycling wollen wir das Wachstum der letzten Jahre international fortsetzen und unsere Position als europäischer Marktführer weiter ausbauen. Dabei verstehen wir uns als Partner der Glasindustrie, was sich unter anderem in gemeinsamen Aktivitäten widerspiegelt wie beispielsweise aktuell das Joint Venture mit Verallia, einem Global Player bei der Produktion von Glasverpackungen.
Erkennen Sie auch Ausbaupotential im Bereich des Pfand-Clearings?
Christoph Bildstein: Ja, wir beobachten und begleiten sehr gezielt die Entwicklungen im Bereich Einwegpfand in vielen europäischen Ländern und wollen mit unserer Expertise unsere Dienstleistungen Clearing, Betrieb von Zählzentren und Verwertung von Verpackungen dort etablieren. Nachhaltiges Wachstum funktioniert aber nur mit zuverlässigen und willensstarken Mitarbeitern – auf allen Ebenen. Und hier bekommen wir leider manchmal unsere Grenzen aufgezeigt.
Nicht erst seit der Wahl Joe Bidens ist das Erreichen ambitionierter Klimaziele wieder in aller Munde – die Europäischen Union hat diese nie aus dem Fokus verloren. Mit welchen Herausforderungen ist Ihr Unternehmen und generell die Branche in den nächsten Jahren konfrontiert um die Vorgaben und Ziele zu erreichen?
Christoph Bildstein: Die Vorgaben der europäischen und jeweils nationalen Politik mit Schlagworten wie „Green Deal“ oder „Close the Loop“ sind getrieben von der Erkenntnis, dass wir nicht in der Art und Weise weiter „wirtschaften“ können, wie es nahezu 150 Jahre praktiziert wurde. Neue Produkte müssen bei teilweise knappen Primärrohstoff-Vorkommen ressourcenschonend unter Verwendung von Sekundärrohstoffen hergestellt werden. Schon beim Design neuer Produkte ist zukünftig verstärkt darauf zu achten, dass diese auch recyclingfähig sind. Wir als REMONDIS leben dafür schon fast vierzig Jahre. Und wir tragen diese Aufgabe seit vielen Jahren in unserem Logo „Im Auftrag der Zukunft“.
Deshalb arbeiten wir mit am Wandel von einer Entsorgungswirtschaft mit dem Appendix Recycling hin zu Produktionsbetrieben für Recyclingrohstoffe mit Reduzierung des Energieverbrauchs während unserer Prozesse – dies im Sinne einer wirklich nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bei Erreichung der wirtschaftlichen Ziele.
Auf Ihre Geschäftsfelder heruntergebrochen heiß das…
Christoph Bildstein: In unseren Glasrecyclinganlagen müssen wir weiter an der Optimierung des Energieeinsatzes bei den großen Verbrauchern wie Druckluftproduktion und Trocknungsanlagen mit schonender Behandlung der Glasscherben arbeiten. Dabei hilft uns die Expertise von SAB hinsichtlich Materialführung in Trommeltrocknern oder aber auch bezüglich der Wärmerückgewinnung in unseren Anlagen.
Darüber hinaus sind die Abfallströme zu reduzieren bzw. die Anteile der verwertbaren Glasmengen zu steigern – unter Berücksichtigung der technischen Anforderungen der Glasindustrie. In größerem Umfang ist das nur möglich, indem der Feinanteil in Form und Konsistenz der Recycling-Glasscherbe ähnlich wird. Auch hier arbeiten wir sehr kooperativ und eng mit SAB an einer neuen Entwicklung und Innovation, in welche wir hohe Erwartungen für die Zukunft haben.
“SAB denkt und fertigt nicht Einzelkomponenten wie Trockner oder Schneckenverdichter sondern berücksichtigt die gesamten, komplexen Abläufe.”
Zur Entwertung und Verdichtung von PET-Flaschen und Getränkedosen setzen wir mehr und mehr innovative Kompaktoren aus dem Hause SAB ein – mit einer Reduzierung des Energiebedarfs von mehr als 40% im Vergleich zu bisher eingesetzten Systemen. SAB denkt und fertigt nicht Einzelkomponenten wie Trockner oder Schneckenverdichter sondern berücksichtigt die gesamten, komplexen Abläufe in den Produktionsanlagen und vereint dabei die Disziplinen Mechanik, Statik, Thermodynamik und Steuerungstechnik auf höchstem Niveau.
Wie sehen Sie die Entwicklung beim Verpackungsrecycling, können die Produzenten mehr in die Verantwortung zur Reduzierung genommen werden?
Verpackungsrecycling basiert in Deutschland und den meisten europäischen Ländern in der EU bereits auf dem Prinzip der Produzentenverantwortung. Die daraus entstandene Methodik im Rahmen der Dualen Systeme führt zu einem enormen Kostendruck, der durch die großen Player – in der Regel die großen Lebensmittel-Einzelhandelsunternehmen – ausgeübt wird. Bei allem Verständnis für Wettbewerb und dem Blick auf die Verbraucherpreise: Produzentenverantwortlichkeit endet nicht mit der so genannten Entpflichtung über Duale Systeme. Nachhaltige Kreislaufwirtschaft benötigt eine gesunde wirtschaftliche Basis, die innovative Investitionen ermöglicht.
Die Corona Krise hat nahezu alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft stark bis sehr stark beeinflusst. Vor welche Herausforderungen wurden Sie mit Ihrem Unternehmen gestellt?
Christoph Bildstein: Durch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens, der Gastronomie und des Tourismus haben sich die Konsumgewohnheiten weltweit geändert mit dem Trend zu mehr Hauskonsum. In der Folge haben sich die Sammelmengen bei Altglas in Deutschland im Vergleich zu 2019 um bis zu 15% erhöht. Dabei steigt der Anteil an weißen Konservengläsern überproportional. Grüne Flaschen wurden weniger verbraucht und danach gesammelt in Deutschland und in der ganzen Welt. Jägermeister auf der Skihütte oder am Strand von Mallorca oder Florida fiel genauso aus wie Beck´s Bier oder Heineken. Damit einher gehen Veränderungen in der Produktion der Glasindustrie hinsichtlich Art und Farbe. Glashütten, in denen bisher beispielsweise überwiegend grüne Bierflaschen hergestellt wurden, fertigen zwischenzeitlich weiße Konservengläser. Und wenn die Nachfrage wieder anzieht, von heute auf morgen grüne Smoothie-Flaschen.
Wir müssen als Lieferant hier zukünftig im Rahmen des Möglichen flexibler reagieren können. Sprich: Farben beschaffen, die plötzlich benötigt werden. Und Farben einlagern, die phasenweise nicht gefragt sind. Dabei waren und sind nach wie vor große externe und interne logistische Herausforderungen zu meistern.
Hr. Bildstein, lassen Sie mich bitte noch eine Abschlussfrage stellen.
„Steirerblut ist kein Himbeersaft“ ist ein geflügeltes Wort aus der Steiermark. Es spielt auf die besondere Eigensinnigkeit, Selbstständigkeit und Unnachgiebigkeit an, die der steirischen Bevölkerung bisweilen nachgesagt wird ab. Können Sie dies bestätigen?
Christoph Bildstein: (Lacht) Dieses Sprichwort kannte ich noch nicht. Aber Steirerblut könnte auch eine Mischung aus Kernöl und Schilcher sein. Nein, ich erkenne darin vor allem die positiven Seiten der Steirer, die wichtig für Innovation sind:
- Neue Ideen denken mit ihrer Eigensinnigkeit,
- diese weiterentwickeln durch ihre Selbstständigkeit,
- und nicht aufgeben mit Hilfe ihrer Unnachgiebigkeit.
Das alles verbunden mit Flexibilität und Kompetenz auf sehr hohem Niveau zeichnet Technik-Partner wie SAB aus, mit denen wir unser Geschäft weiterentwickeln können.